Angst ist ein schlechter Ratgeber
Ja, dieser Spruch klingt wie eine Binsenweisheit, aber wer die Angst tiefer versteht, kann entscheidende Schritte in Richtung Freiheit machen.
Die Evolution des menschlichen Gehirns erfolgte (laut derzeitigem Forschungsstand) in drei Entwicklungsschritten:
Als erstes entwickelte sich das sogenannte „Reptiliengehirn,“ bestehend aus Stammhirn und Kleinhirn. Hier sind unsere Ur-Instinkte (also alles, was mit dem Überleben zu tun hat) beheimatet. Das Reptilienhirn kennt drei Überlebensmechanismen: Flucht, Angriff und Erstarrung.
Mit dem Aufkommen der Säugetiere auf der Erde entwickelte sich viele Jahrmillionen später das limbische System (auch Emotionalgehirn) genannt. Vielschichtigere Emotionen, die für Brutpflege und Rudelverhalten notwendig sind, wie z. B. Mitgefühl, Zuneigung, Liebe waren durch dieses zusätzliche Gehirn nun möglich.
Das menschliche Großhirn, das komplexe Lebensumstände erfassen und beurteilen kann, entwickelte sich vor ca. 200 Millionen Jahren.
Sowohl Reptiliengehirn als auch Emotionalgehirn (beide weitestgehend identisch mit dem Aufbau des Gehirns von Säugetieren) sind hauptsächlich auf das Überleben ausgerichtet. Aus ihrer Bewertung ist alles gut, was dem Überleben dient, und alles ist schlecht, was dem Überleben abträglich ist. Das Emotionalgehirn kennt nur eine Definition von Gefahr, nämlich die, dass unser Leben akut und ernsthaft bedroht ist. Das Großhirn jedoch ist frei, seine Bewertungsmaßstäbe zu wählen. Das bedeutet: Je nachdem, wie wir eine Situation bewerten, kann neuronale Weiterverarbeitung und die entsprechenden physiologischen Reaktionen verschieden ausfallen.
Wenn ich z. B. einen Vortrag halten soll, und meine Betrachtungsweise dergestalt ist, dass ich in die Gefahr laufe, mich zu blamieren, dann antwortet das Emotionalgehirn umgehend mit dem Überlebensmodus, in dem die Angst reagiert. Das zentrale Nervensystem reagiert darauf sofort mit der Aktivierung der Stresskaskaden, um die körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern, so dass wir (über das Reptiliengehirn) unser Überleben sichern können.
Diesem Mechanismus „verdanken“ wir den Dauerstress, der letztendlich immer häufiger zu einer Nebennieren-Erschöpfung (auch Burn-Out genannt) führt. Unser Körper bleibt dabei über lange Zeit hinweg im ständigen Kampf ums Überleben, was langfristig zu veränderten Organfunktionen führt, da der Körper keine Ausgleichsregulation mehr durchführen kann. Über 98% aller Erkrankungen entstehen durch Fehlregulation der Organe – nur etwas mehr als 1% sind genetisch begründet.
Werfen wir nochmals einen Blick auf die Gefahren: es gibt zwei Kategorien – die echten und die unechten. Prüfungen, Streitigkeiten, all die Unannehmlichkeiten, Befürchtungen etc. sind zwar Situationen, die wir möglicherweise mehr oder weniger fürchten, aber stellen evolutionär gesehen keine echten Gefahren (für Leib und Leben) dar.
Bezogen auf Prüfungs-Beispiel: Wenn das Großhirn diese Situation als Gefahr einschätzt („Meine Zukunft hängt davon ab! Wenn ich jetzt durchfalle, ist alles vorbei!“), dann wird in der Prüfung die oben beschriebenen Stresskaskade ausgelöst. Die übergeordneten Funktionen des Großhirns wie Erinnerungsvermögen, logisches Denken, mentale Transferleistung und Problemlösung funktionieren, wenn überhaupt, nur noch eingeschränkt – unser System ist ja mit dem nackten Überleben beschäftigt. Und im ungünstigsten Fall schaltet das Reptiliengehirn in den Erstarrungsmodus (entspricht dem Sich-tot-stellen vor dem Fressfeind) - und man erlebt einen Blackout.
Ein anderer bemerkenswerter Aspekt ist, dass alle Gefühle und Einschätzungen etwas zu müssen – also etwas als absolute Notwendigkeit zu bewerten - (z. B. diese Prüfung jetzt unbedingt zu schaffen, den passenden Partner oder einen neuen Job finden, erfolgreich sein, schlank sein) ebenfalls in einen unangemessenen Überlebensmodus führen. Denken Sie sich dies mal in all seiner Bedeutung zu Ende …
Wenn wir in einem Zustand von Freude, Interesse und Spaß sind, geht nicht nur alles viel leichter, sondern auch wesentlich erfolgsversprechender von der Hand. Und – glücklicherweise gibt es wirkungsvolle Techniken, um seine subjektiven Beurteilungen, Einschätzungen und Glaubenssätze zu verändern. Fragen Sie mich gerne!
(Quelle: Bodo Deletz „50 Halbwahrheiten, die dir das Leben schwer machen können,“ Kapitel 11)