Leben lernen: Nachlese der Winter-Reise zu João de Deus in Abadiânia
Nach der für dieses Jahr ersten Reise nach Abadiânia zu João de Deus konnte ich nach Abreise der von mir begleiteten Gruppe eine Woche alleine in Abadiânia sein, und mich dort mir selbst und meinem eigenen Prozess zu widmen.
Natürlich bietet das Alleine-Unterwegs-Sein dort auch viele Möglichkeiten, besondere Menschen kennenzulernen und wesentliche Gespräche zu führen, die weit entfernt sind von „mein Haus, mein Auto, mein Boot.“ Ich durfte einige Menschen näher kennenlernen, die eines gemeinsam hatten: niederschmetternde, terminale Diagnosen (mit allen dazugehörigen und vorangegangen schulmedizinischen Behandlungen und allen nur denkbaren physischen und psychischen Schmerzen) – und nach medizinischer Ansicht ohne die geringste Hoffnung auf Stagnation, Linderung oder gar von Heilung.
Einige von ihnen leben schon seit Monaten, manche seit Jahren in Abadiânia und haben sich dort ganz auf ihren spirituellen Heilweg eingelassen. Ich verneige mich vor all diesen Menschen, ihrem Mut, ihrer Weisheit, ihrer Kraft, ihrer Liebe und Demut – in Dankbarkeit für die unglaubliche Inspiration, die sie für andere sind. Lebende Personen und überaus lebendige Beweise, dass so vieles möglich ist, was unmöglich erscheint. Ich habe auch Menschen wieder getroffen, die vor einigen Monaten scheinbar am Ende ihres Lebenswegs angekommen waren und nun aussahen wie das blühende Leben selbst.
In der Casa gibt es ein geflügeltes Wort: „Die geistige Welt macht 50% aus. Die anderen 50% musst Du selbst beitragen.“ Was ist damit gemeint? Zum einen natürlich, dass man sich nach seinem besten Vermögen auf den Ablauf und das Procedere einlässt und den dort üblichen Vorgaben Folge leistet. Und zum Zweiten, dass man sich seinen Prozessen stellt: man begegnet im Verlauf des Weges dort seinen inneren Dämonen, lange verdrängten Gefühlen oder Traumata sowie selbstverletzenden, einschränkenden Überzeugungen, die chronische körperliche bzw. psychische Krankheiten mitverursacht haben könnten.
Das ist nicht leicht und auch nicht angenehm, haben wir doch unser ganzes Leben damit verbracht, genau das nicht mehr fühlen, bzw. sehen zu wollen oder zu können – dabei ist dessen liebevolle Annahme für die Heilung unerlässlich.
An dieser Stelle möchte ich nochmals einschieben, dass Heilung in meiner Wahrnehmung nicht zwangsweise Symptomfreiheit des physischen Körpers bedeutet. An anderer Stelle habe ich Menschen an der Schwelle zum Tod kennengelernt, die auf die andere Seite gewechselt sind – aber sie konnten ein paar Tage vor dem „Übergang“ zuvor wahrhaft vergeben. So konnten sie in Frieden und im tiefen Einverstandensein gehen anstatt im tiefsten Groll und Streit mit Angehörigen. Auch das ist Heilung – seelische Heilung. In der Casa spricht man so schön von den Seelen mit und ohne Körper. Treffender kann man es nicht formulieren.
Aber zurück zur Seite der Lebenden: ich habe ein paar der eingangs erwähnten Menschen gefragt, welche Maßnahmen (also ihre persönlichen 50%) sie auf so eindrucksvolle, sichtbare Weise zurück ins Leben führen. Es gibt einige übereinstimmende Aussagen, die ich an dieser Stelle gerne teilen möchte:
Verbringe ausreichend Zeit mit Dir alleine, um Dich Dir selbst und all dem, was in Dir vorgeht, widmen zu können – ohne Input von außen.
Schlafe viel, wann immer der Körper es verlangt; und beachte das Ruhebedürfnis von Körper und Seele vorrangig.
Finde heraus, was Dir Stress bereitet (das Arbeitsumfeld, eine am Ende angelangte Beziehung etc.) und entferne die Stressoren radikal aus Deinem Leben. K. sagte: „Das ganze Leben ist eine einzige Aneinanderreihung von zu treffenden Entscheidungen - großen und kleinen. Es geht darum, die Entscheidungen zu treffen, die für Dein wahres Wohl zuträglich sind. Wenn Du es zulässt, dann wird der Krebs Dich das lehren.“ (Da musste ich echt schlucken …)
Widme Dich täglich Deiner spirituellen Praxis, was auch immer das sein mag – Meditation, Kontemplation, Gebet, Sein in der Natur, …
Stelle Dich Deinen Emotionen und Prozessen und nehme sie an; unterdrücke und verleugne sie nicht.
Ernährung: der gemeinsame Nenner aller (egal ob sie sich vegan oder von Mischkost ernähren) ist die hohe Qualität der Lebensmittel – frische Lebensmittel aus biologischem Anbau; keine Fertignahrung, Vermeiden von Industriezucker-(produkten), einfachen Kohlehydraten (Weißmehl + Co.), (Kuh-)Milchprodukten und rotem Fleisch. Außerdem berücksichtigen sie die eigenen Konstitution und individuelle Verträglichkeit. (Z. B. ist Rohkost nicht für jeden gut verdaulich.)
Folge Deiner Wahrheit und achte darauf, mit welchen Menschen Du Dich umgibst.
Vertraue in die Dich bedingungslos liebende, göttliche Quelle und ihren wohlmeinenden Plan für Dich.
Sei beständig in Deinen Weg und fühle die Hingabe.
Manches davon ist mir im Verlauf meines Lebens zu einer Selbstverständlichkeit geworden, manch andere Aussagen haben mich im Mark getroffen. Wo will ich nicht „hingucken“? Wo mache ich faule Kompromisse aus Gewohnheit, Angst oder anderen unfreien Beweggründen? Wo entscheide ich halb- oder unbewusst gegen mein wahres Wohl?
Diese Vorbilder sind an einem Punkt in ihrem Leben angelangt sind, an dem keine „halben Sachen“ mehr möglich sind. Auch im Sinne der Gesunderhaltung finde ich es mehr als lohnenswert, sich von ihnen inspirieren zu lassen.